Die Modern Language Association (MLA) und EBSCO haben in Zusammenarbeit mit Choice und der Association of College and Research Libraries (ACRL) am 20. Mai 2025 ein Webinar mit dem Titel „Technology and Evolving Research Practices in the Humanities“ veranstaltet, in dem die Teilnehmenden erörterten, wie neue Technologien und KI-Tools (Künstliche Intelligenz; KI) die wissenschaftliche Landschaft beeinflussen und verändern. Die Diskussionsteilnehmenden waren:
- Elizabeth Brookbank, Instruction Librarian und Professorin an der Western Oregon University
- Ellen C. Carillo, Professorin für Englisch und Writing Coordinator an der University of Connecticut
- Leo Flores, Vorsitzender des Fachbereichs Englisch an der Appalachian State University
- Moderation: Angela Gibson, Senior Director of Operational Strategy bei der MLA
In diesem dreiteiligen Webinar wurden u. a. Informationskompetenz und KI-Kenntnisse definiert, interessante und kritische Fragen über künstliche Intelligenz aufgeworfen und ergründet sowie Fragen des Publikums beantwortet.
Informationskompetenz und KI-Kenntnisse
Die ACRL definiert in ihrem Framework for Information Literacy for Higher Education Informationskompetenz als „die Gesamtheit integrierter Fähigkeiten, die die reflektierte Entdeckung von Informationen, das Verständnis dafür, wie Informationen produziert und bewertet werden, und die Nutzung von Informationen zur Schaffung neuen Wissens und zur ethischen Teilnahme an Lerngemeinschaften umfassen“. Obwohl der Begriff bereits in den 1970er Jahren geprägt wurde, sind die darin beschriebenen Fähigkeiten angesichts der Verbreitung von Online-Inhalten, der Zunahme von Falschinformationen und der daraus resultierenden Notwendigkeit, bei der Überprüfung von Quellenmaterial vorsichtig und wachsam zu sein, immer wichtiger geworden. Das Aufkommen generativer KI und neuer Tools, die Studierenden, Lehrkräften und Bibliothekar:innen zur Verfügung stehen, machen die Entwicklung von Informationskompetenz – und deren Erweiterung um KI-Kenntnisse – dringend erforderlich.
Die Diskussionsteilnehmenden erkannten an, dass die Dringlichkeit sowie die Herausforderungen und Möglichkeiten der generativen KI für Lehrkräfte, Forschende und Studierende überwältigend sein können. Die Teilnehmenden betonten, wie wichtig es ist, die Grenzen der KI im Auge zu behalten, wenn es darum geht, den Studierenden Wissen über KI zu vermitteln und die Validität von KI-Ergebnissen zu bewerten. Sie ermutigten die Zuhörer:innen, darüber nachzudenken, wie KI eingesetzt werden kann, um beispielsweise bestehende Arbeitsabläufe zu verbessern, große Datenmengen in Datenbanken und Archivsammlungen zu erforschen und die Förderung der Informationskompetenz in Kursen und Forschungsumgebungen zu unterstützen.
Zentrale Fragen
Im zweiten Teil des Webinars stellte die Moderatorin vier wesentliche Fragen in den Raum, die bei der Diskussion über künstliche Intelligenz im wissenschaftlichen Kontext zu berücksichtigen sind:
- Künstliche Intelligenz: Wann und wie einsetzen?
- Wann und weshalb ist menschliches Eingreifen bei generativer KI wichtig?
- Welche Überlegungen sind bei der Entwicklung von KI-Richtlinien in wissenschaftlichen Einrichtungen entscheidend?
- Welche Verantwortung tragen Lehrkräfte und Pädagog:innen, wenn es um generative KI geht?
Bei der Erörterung der ersten beiden Fragen wiesen die Diskussionsteilnehmenden darauf hin, dass sich die geeigneten Anwendungsfälle für KI unterscheiden können, je nachdem, ob es sich bei den Nutzer:innen um Mitarbeitende in einer Bibliothek, Lehrkräfte oder Studierende handelt. Sie räumten jedoch ein, dass es für Geisteswissenschaftler:innen aufgrund der sich entwickelnden technologischen Landschaft von entscheidender Bedeutung ist, das „Wann“ und „Wie“ des Einsatzes von KI zu berücksichtigen. Darüber hinaus ermutigten die Diskussionssteilnehmenden das Publikum, sich selbst als Expert:innen und das KI-Tool ihrer Wahl als „Einsteiger“ zu betrachten, damit die Rolle der KI, das menschliche Wissen zu unterstützen und nicht zu ersetzen, deutlich bleibt.
Die letzten beiden Fragen spiegelten eine Sorge wider, die von vielen Zuhörer:innen geteilt wurde: Wo liegt die Verantwortung der Lehrkräfte und Bibliothekar:innen bei der Vermittlung von KI-Kenntnissen und -Fähigkeiten, insbesondere wenn es an den Institutionen keine klaren KI-Richtlinien gibt? Die Diskussionsteilnehmenden wiesen darauf hin, dass sich die Richtlinien und Vorgaben in den Institutionen zwar unterscheiden können, dass sich die Vermittlung von KI-Kenntnissen an Studierende jedoch als nützlich erweisen wird, wenn es darum geht, Absolvent:innen auf die Arbeitswelt und auf Positionen vorzubereiten, die ein Grundwissen über KI erfordern. Die Diskussionsteilnehmenden argumentierten, dass es für Studierende und Lehrkräfte besser ist, mit generativer KI zu experimentieren und ihre Möglichkeiten und Grenzen kennenzulernen, als die technologischen Veränderungen in geisteswissenschaftlichen Recherche- und Forschungsumgebungen zu ignorieren.
Themen und Fragen des Publikums
Der letzte Teil des Webinars war für eine Fragerunde zur Beantwortung der gestellten Publikumsfragen vorgesehen. Ein wichtiges Thema, das in den Anmerkungen und Fragen des Publikums auftauchte, betraf die ethischen Implikationen des Einsatzes von KI. Viele Bibliothekar:innen, Lehrkräfte und Studierende sehen den Mehrwert von KI, fragen sich aber, wo die Grenze zwischen ethischer und unethischer Nutzung KI-generierter Inhalte verläuft. Die Diskussionsteilnehmenden waren sich einig, dass es wichtig ist, KI-Ergebnisse kritisch zu bewerten – denn Halluzinationen, Fehlinformationen, „Deepfakes“ und falsche Zuschreibungen tauchen auf – und warnten davor, KI-Tools als Suchmaschinen zu verwenden. Sie betonten außerdem die Bedeutung und den Wert verlässlicher wissenschaftlicher Datenbanken wie der MLA International Bibliography with Full Text. KI-Tools wie ChatGPT und Gemini können als Brainstorming- und Kollaborationspartner betrachtet werden, die den Recherche- und Forschungsprozess ankurbeln können. Sie sollten jedoch nicht als Ersatz für vertrauenswürdige und verlässliche Bibliotheksressourcen angesehen werden.
Viele Lehrkräfte befürchten, dass KI die Fähigkeit der Studierenden, kritisch zu denken und sich selbst gedanklich einzubringen, beeinträchtigen könnte, wenn sie sich bei Lese- und Schreibaufgaben auf generative Technologien verlassen. Es stimmt zwar, dass KI die Forschungslandschaft rapide verändert, aber es stimmt auch, dass Studierende kreative Wege finden, um ihre Denkweisen weiterzuentwickeln, Feedback zu erhalten und Prompt-Engineering sowie Chat-Funktionen zu nutzen, um Informationen auf andere Weise darzustellen – mit anderen Worten, sie nutzen KI, um Informationskompetenz zu erlangen und kritische Denkweisen zu fördern.
Wie man KI-Tools bewertet und für verschiedene Zwecke einsetzt, waren weitere Fragen des Publikums. Die Diskussionsteilnehmenden ermutigten Lehrkräfte und Pädagog:innen, generative KI-Tools zu recherchieren und sich mit ihren Feinheiten vertraut zu machen, um besser zu verstehen, welche Tools für bestimmte Aufgaben am besten geeignet sind. KI-Tools verändern und entwickeln sich ständig weiter, aber sie werden auch in beliebte Betriebssysteme und Suchmaschinen wie Google integriert, so dass es heute wichtiger denn je ist, sich über diese Technologien und ihre Funktionsweise zu informieren. Einrichtungen für die Schreibunterstützung, Tutoring und Nachhilfe sowie Organisationen wie die MLA sind unschätzbare Wissenszentren für wissenschaftliche Gemeinschaften, die Unterstützung und Anleitungen für die KI-Nutzung benötigen.
Zusammenfassung und Links zu weiteren Informationen
Künstliche Intelligenz und generative Technologien haben das Potenzial, Bibliotheksmitarbeitenden, Lehrkräften und Studierenden zu helfen, traditionelle Lese-, Schreib- und Forschungspraktiken neu zu erfinden. Die MLA ist dabei, zusätzliche Ressourcen zu erstellen, die Geisteswissenschaftler:innen dabei helfen sollen, besser zu verstehen, wie sie KI-Tools nutzen und von ihnen profitieren können. Die MLA bietet bereits verschiedene Ressourcen an, die die Entwicklung von Informationskompetenz und KI-Kenntnisse unterstützen sollen.
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